Oberlandesgericht Nürnberg erklärt Sparkassen Widerrufsbelehrung von Darlehensvertrag für unwirksam

Das Ober­lan­des­ge­richt Nürn­berg (OLG) hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 11.11.2015 Az. 14 U 2439/15 eine Vari­an­te der sehr weit ver­brei­te­ten Spar­kas­sen­be­leh­rung aus dem Zeit­raum 2002–2008 als falsch ange­se­hen. Dabei ging es um die Wider­rufs­be­leh­rung der Spar­kas­sen, wel­che die Fuß­no­te „Bit­te Frist im Ein­zel­fall prü­fen.“ ent­hielt und den Pas­sus „frü­hes­tens“.

Damit folgt es den ande­ren Ober­lan­des­ge­rich­ten, die die­se Vari­an­te der Spar­kas­sen­be­leh­rung bereits als feh­ler­haft ange­se­hen haben.

  • OLG Karls­ru­he Urteil vom 13.09.2015 17 U 42/15
  • OLG Karls­ru­he Urteil vom 27.02.2015 4 U 144/14
  • OLG Bran­den­burg Urteil vom 17.10.2012 Az. 4 U 194/11
  • OLG Mün­chen Urteil vom 21.10.2013 Az. 19 U 1208/13
  • OLG Köln Urteil vom 23.01.2013 Az. 13 U 218/11

Die jetzt vom OLG Nürn­berg am 11.11.2015 unter Az. 14 U 2439/15 als falsch ange­se­he­ne Wider­rufs­be­leh­rung ent­hielt u.a. den Pas­sus „Die Frist beginnt frü­hes­tens …“. Daher ging es vor­nehm­lich um die Fra­ge, ob sich die Spar­kas­se zu Recht auf den Schutz des dama­li­gen Mus­ters der Wider­rufs­be­leh­rung in der Anla­ge 2 zum § 14 BGB-Info­VO a.F. beru­fen konn­te oder nicht.

Dass der Begriff „frü­hes­tens“ regel­mä­ßig feh­ler­haft ist, ist in der Recht­spre­chung aner­kannt und herr­schen­de Mei­nung. Die Ver­wen­dung des Wor­tes „frü­hes­tens“ ermög­licht es dem Ver­brau­cher nicht, den Frist­be­ginn ohne Wei­te­res zu erken­nen (BGH, Beschluss vom 10.02.2015 — II ZR 163/14, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 15.08.2012 — VIII ZR 378/11, juris Rn. 9 mwN).

Nach § 14 Abs. 1 BGB Info­VO genügt die Wider­rufs­be­leh­rung aber aus­nahms­wei­se per Defi­ni­ti­on trotz­dem den gesetz­li­chen Vor­ga­ben des § 355 Abs. 2 BGB a.F., wenn der Ver­wen­der exakt das Mus­ter aus der Anla­ge 2 ver­wen­det hat. In die­sem Fall wird die Rich­tig­keit der Wider­rufs­be­leh­rung fin­giert, weil auch der Gesetz­ge­ber eine Zeit lang den Pas­sus „frü­hes­tens“ in sei­nem Mus­ter ver­wen­det hat­te. Hier wird vom soge­nann­ten Ver­trau­ens­schutz gespro­chen. Wenn schon der Gesetz­ge­ber den Unter­neh­mern ein irre­füh­ren­des Mus­ter zur Hand gibt, kann es den Unter­neh­men nicht nega­tiv aus­ge­legt wer­den, wenn sie die­ses exakt und unver­än­dert übernehmen.

Vie­le Spar­kas­sen haben in dem Zeit­raum von 2002 bis 2008 ein Mus­ter des Spar­kas­sen­ver­ban­des mehr oder weni­ger unver­än­dert über­nom­men. In vie­len die­ser Wider­rufs­be­leh­run­gen zu Dar­le­hens­ver­trä­gen befand sich hin­ter der zwei Wochen Frist eine Fuß­no­te. In die­se hießt es, wie im vor­lie­gen­den vom OLG Nürn­berg und den ande­ren genann­ten OLG Entscheidungen:

Bit­te Frist im Ein­zel­fall prüfen.“

Das Mus­ter in der Anla­ge 2 zum § 14 BGB Info­VO a.F. sah eine sol­che Fuß­no­te nicht vor. Es ist daher immer wie­der ein Streit­punkt außer­ge­richt­lich und gericht­lich, ob es sich bei die­ser Fuß­no­te um einen inhalt­li­chen Ein­griff in den Beleh­rungs­text han­delt oder nicht. Liegt eine Ver­än­de­rung des Mus­ter­tex­tes vor, ist regel­mä­ßig die Wider­rufs­be­leh­rung falsch und irre­füh­rend, weil der Ver­trau­ens­schutz nicht greift. Liegt hin­ge­gen kei­ne Ver­än­de­rung vor, kann der Ver­trau­ens­schutz grei­fen und die Rich­tig­keit der Wider­rufs­be­leh­rung wird fingiert.

Das OLG Nürn­berg sah in die­ser Fuß­no­te in sei­ner jetzt ergan­ge­nen Ent­schei­dung vom 11.11.2015 Az. 14 U 2439/15 eine ein­deu­ti­ge Ver­än­de­rung des Mus­ter­tex­tes mit der Fol­ge, dass die Wider­rufs­be­leh­rung des Dar­le­hens­ver­tra­ges mit­hin falsch und irre­füh­rend war, weil der Ver­trau­ens­schutz nicht zum Tra­gen kommt.

Die Widerrufsbelehrung der Beklagten entspricht dem Muster jedoch nicht vollständig. Denn dem Passus „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen [widerrufen]“ ist nach dem Wort „Wochen“ die hochgestellte Zahl „2“ beigefügt, die zu einer nach der Unterschrift des Verbrauchers am unteren Seitenrand des Formulars abgedruckten Fußnote führt, die folgenden Text aufweist: „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“.

Wei­ter heißt es dann zur Fuß­no­te inso­weit zutreffend:

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich die Fußnote nicht an den Darlehensnehmer, sondern an ihre Sachbearbeiter richte, die zu prüfen hätten, ob die Frist zwei Wochen oder einen Monat betrage. Denn für den Darlehensnehmer, dem ein Exemplar der Widerrufsbelehrung in einer der Anlage K2 entsprechenden Form überlassen wird, ist nicht erkennbar, dass sich die in der Fußnote enthaltene Aufforderung („Bitte Frist im Einzelfall prüfen“) nicht an ihn richtet. Die gewählte formale Gestaltung legt es im Gegenteil sogar nahe, dass der Darlehensnehmer sich angesprochen fühlt. Denn bei einer Fußnote handelt es sich um eine „durch eine hochgestellte Ziffer o. Ä. auf eine Textstelle bezogene Anmerkung am unteren Rand einer Seite“ (vgl. z. B. http://www.duden.de/rechtschreibung/Fusznote, abgerufen am 05.11.2015), die typischerweise textbezogene Anmerkungen, Ergänzungen, Erläuterungen oder Zusätze enthält, die bei einer anderen formalen Gestaltung ebenso gut in den Text hätten integriert werden können. Mit Hilfe der Technik der Fußnote wird deren sachlicher Inhalt zum Bestandteil des Textes, auch wenn sich die Fußnote am unteren Seitenrand oder - etwa als „Endnote“ - erst am Ende eines mehrseitigen Textes findet.

Mit ähn­lich zutref­fen­der Begrün­dung lehn­te das OLG Nürn­berg eine Ver­wir­kung und einen Rechts­miss­brauch ab. Im vor­lie­gen­den Fall sah das Gericht hier­für kei­ne Anzei­chen. Ins­be­son­de­re mach­te das OLG Nürn­berg deut­lich, dass es nicht auf die Moti­va­ti­on des Dar­le­hens­neh­mers beim Wider­ruf ankommt.

Unerheblich ist, aus welchen Gründen der Widerruf erfolgt ist, da eine Vertrauensbildung auf Seiten der beklagten Bank nicht von den - ihr auch in der Regel unbekannten - Motiven ihrer Kunden abhängen kann.

Mit dem jetzt ergan­ge­nen Urteil, hebt das OLG Nürn­berg ein Urteil der 10. Kam­mer des Land­ge­richts Nürn­berg auf und ändert es ab. Dies dürf­te für alle Betrof­fe­nen ein deut­li­cher Hin­weis dafür sein, dass das OLG Nürn­berg nicht mit der recht­li­chen Ein­schät­zung der 10. Kam­mer des Land­ge­richts Nürn­berg über­ein­stimmt. Die 10. Kam­mer hat­te bereits mehr­fach Wider­rufs­kla­ge abge­wie­sen. Jetzt ist deut­lich gewor­den, dass das OLG Nürn­berg die­se Urtei­le nicht mit­trägt, sofern Sie nicht der Linie des OLGs entsprechen.

Das OLG Nürn­berg stell­te sich in sei­ner Ent­schei­dung zudem expli­zit gegen anders­lau­ten­de Begrün­dun­gen des OLG Schles­wig. Die­ses hat­te in mitt­ler­wei­le zwei Ent­schei­dun­gen eine ähn­li­che Wider­rufs­be­leh­rung als aus­rei­chend ange­se­hen. Inso­weit ver­tritt das OLG Schles­wig bis­her jedoch die Min­der­mei­nung zu die­sen Wider­rufs­be­leh­run­gen der Sparkassen.

Das OLG Nürn­berg hat in sei­ner Ent­schei­dung zudem aus­drück­lich die Revi­si­on zuge­las­sen. Es bleibt abzu­war­ten, ob es eine Revi­si­on geben wird. Es wäre wün­schens­wert, wenn sich der BGH zu die­ser sehr häu­fig ver­wen­de­ten Wider­rufs­be­leh­rung äußern dürfte.

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