Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 22.11.2016 Az. XI ZR 434/15 erstmals in einem Urteil inhaltlich mit einer Widerrufsbelehrung von einem Verbraucherdarlehensvertrag beschäftigt, der nach dem 10.06.2010 geschlossen wurden.
In dem jetzt vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Immobiliendarlehnsvertrag mit einer Sparkasse vom August 2010.
In den Widerrufsinformationen fand sich laut BGH u.a. folgender Passus:
“Die Frist [gemeint: die Widerrufsfrist] beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB* (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.”
Nach dem damals geltenden Muster der Widerrufsbelehrung in der Anlage 6 zum Art 247 § 6 EGBGB a.F. ist dieser vorstehende Passus nicht richtig gewesen.
Bei einem Immobiliendarlehen war seinerzeit im Rahmen der Pflichtinformationen nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. Art 247 § 9 EGBGB a.F. nicht über die Aufsichtsbehörde und das Verfahren zur Kündigung des Vertrages zu belehren gewesen. Viele Gerichte darunter auch namhafte Oberlandesgerichte wie etwa OLG Koblenz, OLG Celle, OLG Hamm, OLG München und einige andere sahen daher in der Vergangenheit entsprechende Formulierungen als falsch an.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 22.11.2016 Az. XI ZR 434/15 ausgeführt, dass in der Tat die Nennung der Aufsichtsbehörde und des Verfahrens zur Kündigung des Vertrages keine zwingenden Bestandteile der Pflichtinformationen gewesen sind. Die Nennung in den Widerrufsinformationen aber auch kein Fehler sei. Die Bank in dem Fall Sparkasse hätte damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass Sie das Widerrufsrecht bzw. den Fristbeginn zusätzlich und ergänzend zu den gesetzlichen Regelungen von weiteren Voraussetzungen abhängig macht.
Der BGH fasst es in seiner Mitteilung wie folgt:
„In der Angabe dieser beiden zusätzlichen Pflichtangaben lag indessen das von den Klägern angenommene vertragliche Angebot der Beklagten, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der zusätzlichen Erteilung dieser beiden Angaben im Immobiliardarlehensvertrag abhängig zu machen.“
Im Ergebnis wertete der BGH den Wortlaut der Widerrufsinformationen im Darlehensvertrag nicht als fehlerhaft.
Insgesamt sah der BGH den Widerruf dennoch als wirksam an, weil die Sparkasse nicht alle in den Widerrufsinformationen genannten Informationen dem Darlehensnehmer übergeben hatte.
Die beklagte Sparkasse hatte im vorliegenden Fall nicht auf die in den Widerrufsinformationen genannte Aufsichtsbehörde verwiesen bzw. diese nicht namentlich im Darlehensvertrag genannt (BaFin).
Ohne die Nennung der Aufsichtsbehörde konnte die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnen. Das Widerrufsrecht bestand daher zunächst fort.
Der BGH hob folgerichtig das Urteil des OLG Karlsruhe vom 25. August 2015 – 17 U 179/14 auf und verwies es zur neuen Entscheidung ans OLG Karlsruhe zurück.
Diese neue Entscheidung des BGHs vom 22.11.2016 Az. XI ZR 434/15 dürfte richtungsweisend für das Widerrufsrecht von Verbraucherimmobiliendarlehensverträgen sein, die ab dem 11.06.2010 geschlossen wurden.
Der BGH definiert, dass zusätzliche Angaben in den Widerrufsinformationen unter dem Punkt Pflichtinformationen nicht grundsätzlich immer falsch sind. Wichtig ist dem BGH, dass die hier von der Bank genannten Angaben aber dann auch entsprechend in der passenden Form dem Darlehensnehmer kenntlich gemacht werden. Ist dies nicht der Fall, liegt nach dem jetzigen Urteil ein Fehler vor, der zum späten Widerruf berechtigen kann.
Die vollständigen Urteilsgründe sind bisher noch nicht vom BGH veröffentlicht. Der BGH hat bisher lediglich die tragenden Erwägungen in einer Pressemitteilung genannt. Es bleibt daher zunächst abzuwarten, in welcher Deutlichkeit sich der BGH geäußert hat und ob sich Parallelen zu der Rechtsprechung zu Darlehensverträgen ziehen lassen, die vor dem 11.06.2010 geschlossen wurden.
Zunächst scheint es aber so zu sein, dass das Widerrufsrecht bei betroffenen Verträgen, die ab dem 11.06.2010 und vor dem 20.03.2016 geschlossen wurden, dann noch fortbestehen kann, wenn wesentliche Pflichtinformationen oder sonstige in den Widerrufsinformationen genannte Informationen fehlen.
Betroffene Darlehensnehmer mit Darlehensverträgen, die nach dem 11.06.2010 geschlossen wurden, sollten daher nicht zögern anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Exkurs Widerrufsrecht für Immobiliendarlehensverträge die ab dem 11.06.2010 geschlossen wurden:
Das Widerrufsrecht wurde grundlegend mit Wirkung zum 11.06.2010 reformiert . Für Verbraucherdarlehensverträge, die ab dem 11.06.2010 geschlossen wurden, gilt eine andere Rechtslage als für Verträge, die zwischen dem 01.11.2002 und dem 10.06.2010 geschlossen wurden. Das Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehensverträge wurde zudem mit Wirkung zum 13.06.2014 und 21.03.2016 erneut reformiert.
Insbesondere sind Immobiliendarlehensverträge, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 geschlossen wurden, nicht von der neu eingefügten Ausschlussfristen betroffen. Dies bedeutet, dass Widerrufsrecht dieser Verträge, sofern es noch besteht, ist nicht per se zum 21.06.2016 erloschen und verfällt ebenfalls nicht automatisch 1 Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss, wie es für Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nach § 356 b Abs. 2 BGB der Fall ist, die ab dem 21.03.2016 geschlossen wurden.
Öffentlich-rechtlich geförderte Darlehen wie etwa KfW geförderte Darlehensverträge sind hingegen seit dem 11.06.2010 übrigens fast vollständig vom Verbraucherwiderrufsrecht per Definition des § 491 Abs. 2 BGB in der jeweiligen Fassung ausgenommen. Hier besteht nur in engen Grenzen ein Widerrufsrecht, wenn entweder Ausnahmetatbestände greifen oder ein Fernabsatzvertrag vorliegt und ein Widerrufsrecht nach den Regelungen des Fernabsatzrechtes greift. Letzteres ist in der Rechtsprechung bisher aber ebenfalls umstritten.
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