Oberlandesgericht Frankfurt gesteht Darlehensnehmern nach dem Widerruf 5 Prozentpunkte über Basiszinssatz als Nutzungsersatz auf die volle Darlehensrate zu.
Bisher hatte das Oberlandesgericht Frankfurt insbesondere im letzten Jahr nur wenig sachdienliches zum Thema Widerruf und der Rückabwicklung entscheiden dürfen. Dies holt das Oberlandesgericht Frankfurt immer mehr nach und schließt damit zu den anderen Oberlandesgerichten auf. Die wichtigen Themen des Widerrufsrechts werden immer mehr für alle angeschlossenen Landgerichtsbezirke in Hessen entschieden.
Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt die Sparkassenbelehrungen, die auf dem Verbandsmuster basierten, von November 2004 bis April 2008 mehrfach als falsch ausgeurteilt hat, nahm sich das Oberlandesgericht jetzt die Rückabwicklung vor. Es war nicht das erste Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt, welches die Rückabwicklung erfasste, aber das bisher deutlichste.
Mit seinem Urteil vom 27.04.2016 Az. 23 U 50/15 nimmt das Oberlandesgericht Frankfurt dezidiert zur Rückabwicklung von widerrufenen Darlehensverträgen Stellung.
Im Wesentlichen folgt das Oberlandesgericht Frankfurt vollständig den Grundsätzen des BGHs, die dieser insbesondere in seinem Beschluss vom 12.01.2016 Az. 366/15 aufgestellt hatte.
O‑Ton Oberlandesgericht Frankfurt (27.04.2016 Az. 23 U 50/15).
Insbesondere sind die Rechtsfolgen höchstrichterlich geklärt, die nach Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung in Altfällen eintreten, in denen § 357a BGB noch keine Anwendung findet.
Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigt damit:
- Dass die Darlehensnehmer Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz haben.
- Der Anspruch auf Nutzungsersatz für die gesamte Rate (Zins + Tilgung) besteht.
- Die Darlehensnehmer schulden dem hingegen lediglich noch (marktüblichen) Nutzungsersatz für die tatsächliche noch überlassene Restschuld.
- Es findet kein Abzug der Kapitalertragssteuer statt.
Das Oberlandesgericht fasst es wie folgt (27.04.2016 Az. 23 U 50/15):
Deshalb kann der Darlehensnehmer nach Widerruf seiner Darlehensvertragserklärung vom Darlehensgeber die aus seinem eigenen Vermögen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen einschließlich eines herauszugebenden Nutzungsersatzes zurückfordern. Umgekehrt ist der Darlehensnehmer zur Erstattung des ausgezahlten Nettokreditbetrages und zu dessen marktüblicher Verzinsung verpflichtet (BGH NJW 2008, 1585 [BGH 26.02.2008 — XI ZR 74/06] m.w.N.).
Besonders ausführlich setzt sich das Oberlandesgericht hierbei mit den 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz auseinander. Dabei stellt sich das Oberlandesgericht Frankfurt zutreffend auf den Standpunkt, dass es egal ist, ob ein Real oder Personalkredit vorliegt. Die Rechtsprechung des BGHs hinsichtlich des Nutzungsersatzes findet Anwendung, wenn die Bank nichts anderes beweisen kann. Der Abschnitt ist etwas lang, aber lesenswert, weil er im Wesentlichen die gängige Argumentation der meisten Banken in diesem Punkt widerlegt.
Bei Zahlungen an eine Bank besteht aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (BGH NJW 2009, 3572 [BGH 10.03.2009 — XI ZR 33/08] m.w.N.; NJW 2007, 2401 [BGH 24.04.2007 — XI ZR 17/06]; wie hier: OLG Frankfurt am Main (17.Zs.) ZIP 2016, 409; KG BKR 2015, 109 für einen Immobiliendarlehensvertrag eines Verbrauchers; a.A. [2,5%2Punkte über Basiszinssatz]: jeweils OLG Karlsruhe MDR 2016, 287; OLG Nürnberg, Urt.v. 11.11.2015 — 14 U 2439/14 -; OLG Stuttgart ZIP 2015, 2211 [OLG Stuttgart 06.10.2015 — 6 U 148/14]).
Richtig ist zwar, dass der BGH in der Darstellung der argumentativen Herleitung dieser Rentabilitätsvermutung aus dem Verzugsschaden Bank in der Vergangenheit verschiedentlich sprachlich einschränkend “Realkredite” ausgenommen hat (vgl. etwa BGH NJW 1998, 2529 [BGH 12.05.1998 — XI ZR 79/97]; NJW 2007, 364 [BGH 19.09.2006 — XI ZR 242/05]).
Dies ändert aber nichts daran, dass im Ergebnis eine zinsbringende Anlage vereinnahmter Gelder in Höhe des “üblichen” (nicht: “jeweiligen”) Verzugszinses, mithin in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, durch ein Kreditinstitut angenommen werden kann, wenn es — wie hier — an ausreichendem Vortrag der Bank zu anderen Schätzgrundlagen fehlt (vgl. BGH, Urt.v. 07.06.2011 — XI ZR 212/10 -; Urt.v. 14.05.2001 — XI ZR 148/01 -; NJW 1998, 2529).
Geht man aber mit dem BGH davon aus, dass die während der Vertragslaufzeit erfolgten Zins- und Tilgungsleistungen des Verbrauchers der darlehensgebenden Bank tatsächlich in voller Höhe zur freien Nutzziehung zur Verfügung standen (BGH NJW 2015, 3441 [BGH 22.09.2015 — XI ZR 116/15]; NJW 2009, 3572 [BGH 10.03.2009 — XI ZR 33/08]; vgl. auch BGH, Beschl.v. 12.01.2016 — XI ZR 366/15 -), ist vielmehr nicht ersichtlich, warum ohne näheren Vortrag der Bank die Höhe des mit den vereinnahmten Beträgen erzielbaren Wiederanlagezinses davon abhängig sein soll, welcher Art das Vertragsverhältnis war, aus dem die vermutlich wiederangelegten Beträge herrührten.
Nach der Gesetzesbegründung (BT- Drucks 14/6040, 256) lag der Reduzierung des Verzugsschadens gemäß § 503 Abs.2 BGB die Annahme zugrunde, dass die durchschnittlichen Refinanzierungssätze bei Realkrediten niedriger liegen als bei gewöhnlichen Verbraucherdarlehensverträgen. Eine Schlussfolgerung auf die Höhe des erzielten Wiederanlagezinses der Banken erscheint aber nicht zwingend, da § 503 Abs.2 BGB damit eine Beschränkung des pauschalen Verzugsschadens der Banken zugunsten von Verbrauchern zum Ziel hat und nicht zwangsläufig — in Umkehr der o.g. Argumentation des BGH vom Verzugsschaden zum vermuteten Wiederanlagezins — zugunsten der Banken herangezogen werden kann (vgl. OLG Frankfurt am Main (17.Zs.) ZIP 2016, 409).
Die Ziehung konkreter geringerer Nutzungen ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten. So ist insbesondere nicht konkret dargetan, dass die eingehenden Gelder ausschließlich zur Tilgung bestimmter eigener Refinanzierungskosten verwendet wurden. Hierzu trägt die Beklagte nur in allgemeiner Form und mit dem Ziel der Anwendung des § 503 Abs.2 BGB als Schätzgrundlage vor (SS.v. 05.12.2014, S.48f.; Bl.117f.d.A.).
(Zitiert aus OLG Frankfurt Urteil vom 27.04.2016 Az. 23 U 50/15; fettdruck d.d. Verf.)
Mit diesem Grundsatzurteil sollte die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Rückabwicklung in Hessen geklärt sein und abweichende Urteile abnehmen.
Weiterhin erklärt das Oberlandesgericht Frankfurt eine ausdrückliche Relativierung und teilweise Abkehr der Rechtsprechung vom zeitweise meist zitierten Urteil von Banken vom 07.07.2014 (Az. 23 U 172/13). Dieses Urteil wurde und wird immer noch in fast jedem Verfahren zitiert und als Persilschein für alle Abweichungen und Änderungen genannt. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte nun einmal mehr klar, dass diese Auslegung der Banken nicht von dem damaligen Urteil gedeckt wird.
Erwähnenswert ist dabei noch, dass das Oberlandesgericht Frankfurt ausdrücklich die Revision zugelassen hat. Es bleibt abzuwarten, ob es dazu kommen wird.
Viel Zeit bleibt betroffenen Darlehensnehmer von Verbraucherdarlehensverträgen die zwischen dem 01.11.2002 und dem 10.06.2010 geschlossen wurden nicht mehr. Das Widerrufsrecht dieser Verträge erlischt endgültig zum 21.06.2016.
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